Ein Prototyp in Serie: Die Tudor Black Bay P01 im Test

Die Tudor Black Bay P01 basiert auf einem Prototyp aus den späten 1960er Jahren und offenbart einen wenig bekannten Aspekt der Geschichte der Marke. In diesem Beitrag aus den WatchTime-Archiven haben wir das aktuelle Serienmodell getestet.

Rechts ist die Tudor Black Bay P01 zu sehen, links der “Commando”-Prototyp aus den 1950er Jahren.

Historisch gesehen belieferte Tudor die U.S. Navy bereits in den späten 1950er Jahren mit Taucheruhren. Die Referenz 7922 wurde jedoch erst 1964 eingeführt und gilt als die erste Taucheruhr von Tudor. Sie war bis 100 Meter wasserdicht.

“Commando” war der Codename für ein spezielles Lünettensystem
Drei Jahre später begann die Schweizer Marke mit der Entwicklung einer hochfunktionalen Uhr, die die Oyster Prince Submariner Reference 7928 ersetzen sollte, die damals die Standarduhr der Marine war. Die erste Phase der Entwicklung führte zu verschiedenen Prototypen und einem Patent für eine noch nie dagewesene Funktion. Das ehrgeizige Projekt mit dem Codenamen “Commando” wurde nie verwirklicht, aber die Pläne wurden in den Archiven des Unternehmens sorgfältig aufbewahrt. Die neuartige Komponente war ein Scharniermechanismus am Gehäuse, der zum Zurücksetzen der Lünette entriegelt und zum Sichern der Lünette verriegelt werden konnte. Der 1968 patentierte Scharniermechanismus sollte auch die Wartung und Instandhaltung vereinfachen.

Die Black Bay P01 von 2019 (P01 steht für Prototype No. 1) verfügt über dieses System, allerdings nicht in seiner kompletten Funktionalität. Es basiert in erster Linie auf dem Verriegelungsmechanismus, mit dem der Träger die bidirektional drehbare Lünette der Black Bay P01 sichern kann, indem er den Scharniermechanismus zwischen den Bandanstößen an der 12 betätigt. Die drehbare Lünette kann theoretisch auch als Taucherlünette verwendet werden, obwohl der Ring nicht für diesen Zweck konzipiert wurde. Die auf 12 Stunden mit Halbstundenunterteilung kalibrierte Lünette rastet in 60er-Schritten, also in Minutenschritten, ein und reagiert auf leichten Druck nach unten sehr knackig und präzise. Wer jedoch die verstrichene Zeit ablesen möchte, kann dies nur minütlich im 5-Minuten-Takt und am Anfang einer Zeitspanne tun.

So wird die Lünette der Black Bay P01 verwendet. Wenn Sie eine kurze Zeitspanne messen möchten, z. B. eine kurze Joggingrunde durch den Park, drehen Sie einfach die Lünette, bis sich die nicht leuchtende dreieckige Markierung gegenüber der Spitze des Minutenzeigers befindet. Um die verstrichene Zeit abzulesen, müssen Sie die Stundenmarkierungen auf der Lünette gedanklich in 5-Minuten-Schritte umrechnen. Für eine längere Zeitspanne, z. B. eine Fahrradtour oder eine Wanderung in den Bergen, drehen Sie die Lünette, bis sich die dreieckige Markierung gegenüber der Spitze des Stundenzeigers befindet. Auf die gleiche Weise kann die Lünette auch zum Einstellen einer zweiten Zeitzone verwendet werden. In diesem Fall stellen Sie die entsprechende Stundenmarkierung auf der Lünette auf die Markierung auf dem Zifferblatt und den Stundenzeiger ein.

Für jede dieser Aktionen heben Sie den Scharniermechanismus an, indem Sie zwischen den Nasen an der 12 nach unten drücken. Dadurch wird die Lünette freigegeben, so dass Sie sie in beide Richtungen drehen können. Der richtige Druckpunkt ist auf der Scharnierklappe mit kleinen Rillen markiert. Durch leichten Druck auf die Lünette oder auf das Stahlverbindungsstück am Armband lässt sie sich in die verriegelte Position zurückklappen. So wird verhindert, dass das System am Handgelenk offen bleibt, was zu einer versehentlichen Verstellung der Lünette führen kann. Die bewegliche Konstruktion sorgt auch dafür, dass die Black Bay P01 perfekt an jedes Handgelenk passt, obwohl sie von Bandanstoß zu Bandanstoß fast 56 mm misst.

Eine moderne Bewegung hinter einer Retro-Fassade
Um Spiegelungen zu minimieren, ist das Edelstahlgehäuse komplett satiniert. Das sportlich-kantige Design ist im Bereich des Kronenschutzes leicht scharfkantig, und diese Schärfe ist beim manuellen Aufziehen der Uhr spürbar. Dazu wird die gerändelte Krone mit dem Tudor-Logo zunächst aus ihrer Verschraubung herausgeschraubt und dann gedreht. In die mittlere Position zurückgezogen und dann gedreht, stellt die Krone schnell die Datumsanzeige ein, die automatisch kurz nach Mitternacht weiterrückt, wenn die Uhr läuft. Das moderne Uhrwerk im Inneren des Gehäuses erlaubt es zudem, die Datumsanzeige zu jedem gewünschten Zeitpunkt zu korrigieren, ohne den Mechanismus zu gefährden. Dieser Mechanismus ist nicht weniger aktuell als die hochmoderne 70-Stunden-Gangreserve des Automatik-Manufakturkalibers MT5612, das hinter einem undurchsichtigen verschraubten Boden untergebracht und daher leider nicht sichtbar ist.

Das ursprünglich für die Pelagos maßgeschneiderte Uhrwerk ist das erste von Tudor entwickelte Kaliber überhaupt. Es wurde 2015 eingeführt und wird seither im eigenen Haus gefertigt und montiert. Das Kaliber wurde für die hochfunktionale Taucheruhr Pelagos konzipiert und zeichnet sich durch Robustheit, Langlebigkeit und Zuverlässigkeit aus. Deshalb schwingt die große Unruh mit variabler Trägheit und einer Frequenz von 4 Hz (28.800 Halbschwingungen pro Stunde) unter einer stabilen Brücke, die an zwei Punkten befestigt ist, und nicht unter einem herkömmlichen freitragenden Unruhkloben, der nur an einem Punkt verschraubt ist.

Tudor Caliber MT5612
Tudor Kaliber MT5612

Außerdem schwingt die Unruh zusammen mit einer Siliziumspirale, die weniger empfindlich als herkömmliche Unruhspiralen auf äußere physikalische Einflüsse wie Temperaturschwankungen, Druckänderungen, Schwerkraft und Magnetismus reagiert. Das über vier Schrauben an der Unruh regulierte Schwingsystem arbeitet daher mit soliden, chronometergerechten Gangwerten, was wir unter Laborbedingungen und in einem mehrwöchigen Tragetest am Handgelenk bestätigt haben. Bei Vollaufzug und Messung auf der elektronischen Zeitwaage und am Handgelenk läuft die Black Bay P01 fast ohne Abweichung. Die Zeitmessung bewegt sich ganz leicht im Minusbereich, wenn die Spannung der Aufzugsfeder allmählich nachlässt.

Eine Kombination aus historischer Ästhetik und moderner Uhrmacherkunst
Das Manufakturkaliber ist im typischen Stil der Marke Tudor dekoriert. Der durchbrochene Rotor und die darunter liegende Automatikbrücke sind satiniert. Die Platine und die anderen Brücken wechseln zwischen polierten und sandgestrahlten Oberflächen und lasergravierten Details.

Tudor Black Bay P01 - side
Tudor Black Bay P01 – Seite

Das Kaliber MT5612 zeigt von der Mitte des mattschwarzen, leicht gewölbten Zifferblatts aus die Stunden, Minuten und Sekunden an. Wie alle anderen Modelle der Black-Bay-Linie verfügt auch die P01 über die charakteristischen, kantigen “Schneeflocken”-Zeiger, die erstmals 1969 im Katalog der Marke auftauchten. Zusammen mit den leuchtenden und unterschiedlich geformten Indexen garantieren die Zeiger starke Kontraste und eine hervorragende Ablesbarkeit sowohl bei guten als auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Die gut gewählte hellbeige Farbe der Leuchtmasse, die auch für die Datumsscheibe verwendet wird, unterstreicht die Verbindung dieses neuen Modells mit seiner Geschichte. Dank dieser Kombination aus historischen und modernen ästhetischen Codes fügt sich die P01 perfekt in die Black Bay-Linie ein, die viel mehr ist als eine Reihe identischer Neuauflagen von Modellen aus der Vergangenheit.

Das Schneeflockenmotiv findet sich auch auf der Unterseite des Armbandes, das exklusiv für die Black Bay P01 entwickelt wurde. Das Armband ist eine Kombination aus Kautschuk und einem Element aus braunem Leder auf der Oberseite. Mit seinen hellen Kontrastnähten versprüht es Retro-Charme, und die beweglichen Bandanstöße stellen die Verbindung zum ursprünglichen Prototyp mehr als symbolisch her.

Ein alltagstaugliches Sammlerstück
Nicht nur mit diesem Detail ist die Black Bay P01 eine Hommage an das historische Forschungsprojekt. Schließlich handelt es sich nicht um eine Taucheruhr, auch wenn ihr Prototyp ursprünglich für Taucher konzipiert war. Mit einer Druckbeständigkeit von 20 bar, einem modernen Uhrwerk, einer Lünette mit außergewöhnlichem Design und unkonventioneller Funktionalität ist sie zweifellos eine ungewöhnliche, robuste Sport- und Outdoor-Uhr. Diese Vorzüge machen sie nicht nur für Liebhaber und Sammler besonderer Zeitmesser interessant, sondern auch für diejenigen, die eine praktische Uhr für den täglichen Gebrauch suchen.

MERKMALE:
Hersteller: Montres Tudor SA, Rue François-Dussaud 3-7, 1211, Genf 26, Schweiz
Referenznummer: 70150
Funktionen: Stunden, Minuten, zentrale Sekunde, Datumsanzeige, beidseitig drehbare Lünette, die in 60er-Schritten einrastet und auf 12 Stunden geeicht ist, arretierbares Lünettensystem über ein bewegliches Scharnierteil bei 12 Uhr
Uhrwerk: Manufakturkaliber MT5612, automatisch, COSC-zertifiziert, 28.800 U/min, 26 Lagersteine, Siliziumspirale, Glucydur-Unruh, Incabloc-Stoßsicherung, Feinregulierung über Schrauben an der Unruh, ca. 70 Stunden Gangreserve, Durchmesser = 31,8 mm, Höhe = 6,50 mm
Gehäuse: Edelstahl, gewölbtes Saphirglas über dem Zifferblatt, massiver Gehäuseboden, wasserdicht bis 200 m
Armband und Schließe: Hybridarmband aus Leder und Kautschuk, integrierte Tudor-System-Faltschließe aus Edelstahl mit Sicherheitsverschluss
Gangresultate (Abweichung in Sekunden pro 24 Stunden, vollständig aufgezogen/nach 24 Stunden):
Am Handgelenk +0,4
Wahl aufwärts +2,6 / +3,1
Zifferblatt abwärts +1,3 / +1,1
Krone aufwärts +1,8 / -1,7
Krone unten -1,2 / -2,9
Krone links +0,8 / -0,4
Größte Abweichung 3,8 / 6,0
Mittlere Abweichung +1,1 / -0,2
Durchschnittliche Amplitude:
Flache Stellungen 293° / 287°
Hängende Stellungen 253° / 238°
Abmessungen: Durchmesser = 41,98 mm, Höhe = 14,56 mm, Gewicht = 154,0 Gramm
Preis: 4.000 $